„Die Skulptur ist die körperliche Wahrheit selbst, wir können ihre Werke auf die mannigfaltigste Weise sehen und sie bleiben immer dieselben. Allein es ist nicht genug, daß sie in Ansehung der Richtigkeit diese Prüfung bestehen könne, sondern sie muß auch als schöne Kunst von allen Seiten etwas Anziehendes und den Geist Beschäftigendes zu sehen geben".
- August Wilhelm Schlegel -

In unserer von medialen Scheinwelten erregten Zeit hat alle Bildhauerkunst von vornherein einen besonderen Stellenwert: Sie ist greifbar und immer gegenständlich; d.h. sie ist selbst Gegenstand, auch oder gerade wenn sie sich aller Darstellung im Dienste fremder Gegenständlichkeit entledigt hat.

Skulptur ist zuerst, was sie ist: Körper, Masse, Gestalt. Sie hat eine bestimmte Ausstrahlung, auf die der Betrachter reagiert. Wenn „der Betrachter" auch Menschen mit einschließt, die keine Fachleute für Kunst sind, dann ist das Spektrum solcher Reaktionen groß. Es reicht auch gegenüber den Arbeiten Hüseyin Altins von spontaner Ablehnung und Ratlosigkeit bis zur Offenheit sich einlassenden Sehens. Dieses ist umso mehr angesprochen, je entschiedener die Skulptur sich selbst darstellt, je weniger der Betrachter vom Eigentlichen abgelenkt wird. Die Rückführung aufs Elementare, um von dort aus die Grundbedingungen zu klären, wozu besonders auch die Bewegung des Betrachters und seine Position im Raum zählen, ist das Anliegen der minimalistischen Kunst, auch der Ansatz der Gruppe Zero.

Die künstlerische Arbeit Altins ist solchen Bestrebungen verwandt, jedoch nicht mit ihnen gleichzusetzen. Das Werk Hüseyin Altins vorzustellen, führt immer wieder auf ein Nachdenken über wesentliche Züge der Bildhauerkunst. Dieses Nachdenken wird sichbeziehen sowohl auf die althergebrachten, gewissermaßen klassischen Bedingungen der Skulptur, als auch auf ihre zeitgemäßen Eigenschaften. Das für einen ersten Blick eher zurückhaltende Werk erschließt sich gründlichem Sehen, das sich die Zeit nimmt, Gesehenes mit eben diesem Nachdenken zu verbinden. Es gehört zu den Errungenschaften der Moderne, das Interesse des Betrachters, dessen eigene geistige Aktivität und Lebendigkeit herausgefordert und im Dialog mit der Kunst als unentbehrlich bewußt gemacht zu haben. Dabei spiegelt sich das Kunstwerk als ein objektiv Gegebenes in den persönlichen Möglichkeiten des Betrachters. Ihnen bietet die künstlerische Arbeit Altins neben den augenscheinlichen eine Fülle meditativer Möglichkeiten.

- Dr. Ulrike Rein -

 
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